10/19/2015

Lebendige Figuren statt zweidimensionaler Pappkameraden (Einleitung)


Menschen im Mittelpunkt

                "Ich bin neugierig auf andere Menschen.
                  Das ist die Essenz meiner Arbeit. Ich möchte
                  wissen, wie es wäre, wenn ich sie wäre."
Stanley Kubrick

Im Mittelpunkt jedes gelungenen Comic, einschließlich plotlastiger Geschichten wie zum Beispiel bei Actioncomics, stehen Menschen. Denn jede Geschichte fesselt uns nur dann, wenn die Protagonisten und deren Schicksal unser Interesse wecken.

   Um sich auf eine Geschichte, einen Comic einzulassen, investiert ein Leser Lebenszeit und dazu noch seine Gefühle (Angst, Hoffnung, Wut, Sehnsucht). Er riskiert, dass er am Ende des Comics verstimmt ist, verärgert oder verängstigt, oder sich, viel schlimmer noch, von den Comicautoren nicht ernstgenommen und an der Nase herumgeführt fühlt. Wenn er in einem Comic zweidimensionalen, schlecht entwickelten Charakteren begegnet, die sich wie Schachbrettfiguren durch die Geschichte bewegen und denen er ihre Herkunft (nämlich die schlampige Fantasie des Autors) anmerkt, gibt es keinen Grund für einem Leser, dieses Risiko einzugehen und sich emotional zu öffnen.  

   Wir alle möchten Geschichten von Menschen erzählt bekommen, von denen wir glauben, dass sie schon gelebt haben, bevor die Geschichte im Comic losgeht und von denen wir uns vorstellen können, dass sie, auch wenn der Comic fertig ist, weiter existieren (es sei denn, sie sterben in der Geschichte).

Zeichnen können - zeichnen lernen


Die Wahrheit hinter der Begabung

Um das Thema "Zeichnen können" ranken sich diffuse Ideen von Genie und Begabung. "Wer´s nicht kann, sollte es bleiben lassen, bzw. entweder man hat es oder eben nicht." Das ist für Anfänger, unabhängig vom Alter, nicht gerade ermutigend! Geniekult vernebelt den Zusammenhang zwischen Ursache (Übung) und Wirkung (Fortschritte machen), der sich so gut wie immer einstellt, wenn man sich dem Prozess des Lernens hingibt. Bei anderen spezialisierten Fähigkeiten wie Sport, Musik oder Fremdsprachen ist es selbstverständlich, dass nur Übung zum Ziel führt. Aber in der bildenden Kunst soll der Meister vom Himmel fallen? 

   Begabung ist nur so etwas wie eine Starthilfe. Auch die Begabtesten müssen üben, wenn sie langfristig mehr als mittelmäßige Ergebnisse erreichen wollen. Die Schattenseite des Geniekults ist, dass viele Nicht-Genies daran zweifeln, jemals ernstzunehmende Fortschritte machen zu können. Sogar für die (selbsternannten) Genies kann diese Ideologie hinderlich sein, da sie dadurch dazu verführt werden können, nicht zu üben.

Über das Lernen

Anerkennen Sie, dass Lernen immer ein krisenhafter Prozess ist. Sie müssen ja von hilfreichen Routinen absehen, um tatsächlich Neues zu schaffen. Sie begeben sich auf ungesichertes Gelände, und das spiegelt sich auch im inneren Monolog wieder.

   Dass ein Projekt glatt von der Idee zur Abgabe verläuft, ist eher die Ausnahme als die Regel. Es ist nur möglich, wenn Sie in früheren Projekten Arbeitsrutinen entwickelt haben. Sie lernen aus eigenen Fehlern am meisten. Die Lernkurve ist beim ersten Malen am steilsten. Stellen Sie sich also auf Fehler und Änderungen ein, und seien Sie unverzagt.

Flow I Wenn Sie dranbleiben, wird es leichter. Ein Hochgefühl kann sich beim Arbeiten einstellen. Der Begriff Flow ("Fließen, Rinnen, Strömen") bezeichnet das Gefühl der völligen Vertiefung und des Aufgehens in einer Tätigkeit, Schaffensrausch oder Funktionslust. Wenn sich der ersehnte Flow-Zustand einstellt, ist Inspiration leicht zu finden, und die Arbeit geht vielleicht von der Hand. Alles fügt sich wie magische Puzzleteilchen ineinander. Die Schwierigkeit besteht darin, in den Zustand des Flows hineinzukommen. "Drin sein" heißt, auf einer tiefen Ebene mit seinem Thema im Einklang zu sein.

   Wenn Sie Ihr Thema verinnerlicht haben, hat Ihre Blackbox Ihr Thema angenommen.

   Der Zustand der Flows hat etwas Magisches an sich. Man hat das Gefühl, von höheren Mächten geführt zu werden, von freundlichen Geistwesen neue Hinweise und Möglichkeiten gesendet zu kriegen.

   Um den Flow-Zustand zu erreichen, ist ständige Übung, Aufmerksamkeit und Pflege notwendig. Je mehr Sie zu einem Thema wissen und je besser Sie aufgelegt sind, umso leichter fällt es Ihnen, neues Wissen zu erlangen. Sie werden bemerken, dass der Zufall stets den Vorbereiteten trifft.

Disziplin und Leidenschaft I Trotz Rückschlägen nicht aufzugeben und durchzuhalten, erfordert Disziplin. Was für ein ekelhaftes Wort! Bisher ist uns Disziplin hauptsächlich von anderen zugemutet worden, daher der Beigeschmack des Zwangs. Wir wollen doch frei sein. Disziplinierung durch andere abzulehnen, führt nicht automatisch zu einem glücklichen Leben. Wer freiwillig lernt und arbeitet, muss sich selbst disziplinieren. Die Arbeit geht nicht immer leicht von der Hand, manchmal muss man sich durchbeißen. Lernen Sie, Frustration zu ertragen und weiterzumachen.

   Disziplin allein ist auch keine gute Voraussetzung. Die Grundlage jeder Beschäftigung sollte Ihr Wunsch sein. Sich zu etwas disziplinieren, was einem gar nicht liegt, bringt nichts. Sie werden trotz allem Fleiß nie so gut wie jene sein, die leidenschaftlich UND diszipliniert sind. Das richtige Maß zwischen Selbstdisziplin und Lockerheit zu finden, ist eine lebenslange Aufgabe freier Menschen.

   Ein bisschen Neigung zu Ihrem Tätigkeitsfeld ist schon Voraussetzung, sonst halten Sie es nicht durch. Nur aus Imagegründen ("Künstler sind cool!") Illustrator/in werden zu wollen, ist Unsinn. Wenn das Ihr Hauptmotiv ist, hören Sie besser gleich auf. Werden Sie Jurist, Arzt oder sonst "etwas Anständiges".

   Disziplinieren Sie sich nicht zu viel. Machen Sie Pause, machen sie Urlaub. Schlafen Sie ausreichend. Essen Sie gut. Bewegen Sie sich an der frischen Luft, und pflegen Sie Ihre Beziehungen. Amüsieren Sie sich ohne allzu krassen Selbstmissbrauch. Wenn das so trivial wäre, wie es klingt, gäbe es nicht LKW-Ladungen voller Selbsthilfebücher zu diesem Themen. Tun Sie es! Und arbeiten Sie weiter.

Das eigene Maß finden I Wenn Ihnen das bisher Gesagte zu schwammig und zu wenig programmatisch erscheint, liegt das daran, dass es für Kreativität keine fertigen Rezepte gibt. Die Menschen sind unterschiedlich, und jeder braucht etwas anderes, um optimal arbeiten zu können. Wir haben nicht alle dieselben Voraussetzungen. Wir nehmen die Welt unterschiedlich wahr und wählen unterschiedliche Strategien.

   Darum werden Sie bei vielen Übungen in diesem Blog immer wieder auf Ihre eigene Kompetenz verwiesen. Manche arbeiten vormittags besser, manche nachmittags. Manche brauchen mehr, manche weniger körperliche Bewegung, soziale Aktivitäten, Schlaf. Manche lieben Trubel um sich, manche brauchen die Ruhe. Was für den einen eine unerträgliche Belastung ist, ist für den andere anregend. Manche brauchen Strukturen von außen, andere fühlen sich davon eingeengt. Als Kreativer muss man ständig Entscheidungen treffen. für die es keine einfachen Regeln, keine Rezepte gibt. Kreative Arbeit beinhaltet viele erste male, für die es keine Routinen gibt. Das macht es ebenso spanend wie anstrengend.
  

Storyboardschreiben Übungen Teil 01


Übungen Teil 01

"Ein Hinweis vorweg: Heben Sie alles, was Sie im Folgenden erarbeiten, auf. Es wird Ihnen jeweils als Basis für weitere Übungen in diesen Blog dienen."

1-Augen & Ohren auf
Wann immer sich die Gelegenheit ergibt - im Zug, beim Einkaufen, im Café, an Ihrem Arbeitsplatz - beobachten Sie Ihre Umwelt, belauschen Sie Gespräche und überlegen Sie, was es mit allem auf sich hat.
  • Was ist eine mögliche Ursache für das von Ihnen beobachtete Verhalten?
  • Was könnte vorgefallen sein?
  • Wie sehen die Umstände aus?
  • Was steht für die Beteiligten auf dem Spiel?
Die nachfolgenden Übungen eignen sich, wenn Sie bereits über eine vage oder auch schon konkretere Idee für eine Geschichte oder für die Figuren, die sie bevölkern, verfügen. Für alle, die noch gar keine Idee haben: Überspringen Sie die folgenden Übungen, wir werden an anderer Stelle dazu zurückkehren.

2-Mit allen fünf Sinnen  

Üben sie Ihre Vorstellungskraft, indem Sie die Augen schließen und sich die zentralen Orte, an denen Ihre Geschichte spielt, in sämtlichen Details vorstellen:
  • Ist es dunkel oder hell? Durchflutet von Tageslicht? Oder ein Raum ohne Fenster, jeder Zentimeter mit Neonröhren grell ausgeleuchtet?
  • Wie sin die Räumlichkeiten (oder die Landschaft)? Verwinkelt? Eng? Oder weitläufig?
  • Welche Farben dominieren?
  • Stellen Sie sich den Geruch vor. Was verbinden Sie mit diesem Geruch?
  • Welches Gefühl überkommt Sie, wenn Sie sich in Gedanken an diesem Ort aufhalten? Erinnert es Sie an Orte, die sie kennen?
  • Stell Sie sich die Geräuschkulisse vor. Möglichst plastisch. Ist es laut? Chaotisch? Oder totenstill? Wenn Sie sich Ihrer Fantasie an diesem Ort bewegen, verursachen Sie dabei Geräusche?
  • Ist es ein Ort, an dem Sie sich sicher und geborgen fühlen?
  • Sind noch andere Menschen da oder sind Sie allein?
Die Liste kann beliebig fortgesetzt werden. Lassen Sie Ihre Fantasie schweifen und malen Sie sich alles in allen Einzelheiten vor Ihrem geistigen Auge aus.

3-Fühlen

Wie würden Sie unter bestimmten Umständen handeln? Was empfinden Sie, wenn Sie sich in die Haut eines anderen versetzen? Was müsste passieren, damit Sie Dinge tun, die Sie vielleicht noch nie in Ihrem Leben getan haben? Gibt es etwas, das vergleichbar ist mit den Ereignissen, die Ihren Figuren widerfahren oder den Orten, an denen Ihre Geschichte spielt? Falls möglich, suchen Sie die Orte auf. Welche Atmosphäre herrscht dort? Wie gehen die Menschen miteinander um? Was empfinden Sie selbst, während Sie dort sind?

4-Das Herz Ihrer Geschichte (1)

Setzen Sie sich an einen Ort, an dem Sie ungestört sind und nehmen Sie sich 30 Minuten Zeit. Notieren Sie alle Begriffe und Assoziationen, die Ihnen zu Ihrer Idee einfallen. Dabei geht es nicht darum, alles aufzuschreiben, was die Stimmung und Atmosphäre Ihrer Filmidee widerspiegelt. Überlegen Sie stattdessen, ob es Ereignisse, Grundkonstellationen oder Konflikte gibt, die Sie mit Ihrer Idee in Verbindung bringen.

   Vielleicht haben sie den Eindruck, dass Ihre spontanen Einfälle gar nicht zu Ihrer Idee passen. Schreiben Sie sie trotzdem auf. Zensieren Sie Ihre Ideen nicht. Vielleicht eignet sich der ein oder andere Einfall als "Sprungbrett" für andere Assoziationen, die sich besser als zentrale Idee Ihrer Geschichte eignen. Oder aber Sie stellen zu einem späteren Zeitpunkt fest, dass Ihre Assoziationen sehr wohl passt nur wissen Sie jetzt noch nicht, wie.  
   Geht es darum, sich von einer Abhängigkeit zu befreien und Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen? Ist es also so etwas wie eine Geschichte über das Erwachsenwerden? Dabei spielt es keine Rolle, ob Ihre Protagonisten dem Alter nach bereits erwachsen sind. Es gibt Menschen, die sich nach ihrem Abnabelungsprozess von den Eltern nahtlos in die Abhängigkeit zu einer anderen Autoritätsperson begeben und niemals wirklich autark und selbstständig werden.

   Oder steht ein Mensch im Mittelpunkt Ihrer Geschichte, der sich plötzlich in einer völlig fremden Welt zurechtfinden muss? Also ein "Fis-Out-Water"- Szenario?

   Oder geht es um einen Helden, der alles dafür tut, um die Aufmerksamkeit und Anerkennung einer Vaterfigur zu bekommen?

   Nehmen Sie sich die Freiheit, auch scheinbar völlig abwegige Ideen zu entwickeln und in Gedanken weiterzuspinnen. Schreiben Sie alles auf. Werden Sie nicht nervös, falls Ihnen zunächst nichts einfällt. Bei dieser Übung geht es nicht darum, eine "Lösung" für etwas zu finden , sondern Sie dazu anzuregen, sich Gedanken über die verschiedenen menschlichen Grundkonflikte zu machen. Dabei können Sie das Gedankenspiel auch umdrehen und sich völlig frei von Ihrer Geschichte eine zentrale Idee überlegen. Anschließend schauen Sie, welche Auswirkungen dies auf Figuren und Handlung hätte. Schließlich legen Sie das Ergebnis dieser Übung in Ihrer Materialsammlung ab. Wir kommen später wider darauf zurück.

5-Das Herz Ihrer Geschichte (2)

Wenn Sie über einen längeren Zeitraum über Storyprobleme grübeln und sich von Menschen, die Ihnen nahestehen oder etwas von Dramaturgie verstehen, ein Feedback erbitten oder Ihren Stoff mit Ihnen diskutieren, werden die Bilder, Texte und Stimmungen, die Sie anfangs so klar vor Augen hatten, immer blasser werden. Es kann sogar passieren, das Sie irgendwann das Interesse an Ihrer Geschichte verlieren oder zumindest nicht mehr genau sagen können, was Sie an dieser Geschichte und ihren Figuren interessiert hat, warum Sie sie spannend fanden und erzählen wollten. In diesem Fall ist es außerordentlich hilfreich, sich an die anfänglichen Bilder, Töne und Gefühle zu erinnern und sie erneut zu durchleben. Dies wird nicht nur Ihre Leidenschaft für die Geschichte erneut aufleben lassen, es wird Ihnen auch helfen, den Kern Ihrer Geschichte, Ihr "Herz" wiederzufinden.

     Suchen sie einen Ort auf, der Ihnen vertraut ist, an dem Sie allein sind und wo Sie sich wohlfühlen. Das kann eine Parkbank, Ihr Sofa oder ein Tisch im halbleeren Café im Bahnhof sein. Es kann hilfreich sein, einen Ort zu wählen, an dem der Blick in die Ferne schweifen kann und wo man Platz um sich herum hat. Sie können aber auch eine Umgebung wählen, die der Welt, in der Ihre Geschichte spielen soll, ähnlich ist oder an der eine annähernd gleiche Stimmung herrscht. Vermeiden Sie große Kontraste zwischen der Außenwelt und Ihrer Fantasie. Es ist schwierig, sich die Stimmung in einem eiskalten, dunklen Kellerloch, in dem ein Horrorthriller spielt, vorzustellen, wenn Sie bei 35C im Schatten unter einer Palme Kokosmilch schlürfen - und umgekehrt. Versetzen Sie sich in die Welt, in der Ihre Geschichte spielt. Lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf:  
  • Was verbinden Sie mit Ihrer Geschichte?
  • Welche Musik kommt Ihnen in den Sinn? Mozart? Oder eher die Stones? Suchen Sie nach einem "Soundtrack", nach Musikstücken, die zu Ihrer Geschichte passen.  
  • Welche Gefühle durchleben Sie, wenn Sie sich in Ihrer imaginierten Welt bewegen?
  • Welche Farben haben Sie vor Augen, was riechen Sie?
  • Gibt es Dinge, die Sie gelesen, gehört, erlebt haben, die Ihnen dazu einfallen?
  • Welches Lebensgefühl assoziieren Sie mit Ihren Figuren?
  • Welche Eigenschaften der Figuren fesseln Sie?
  • Was fasziniert Sie an Ihrer Geschichte? Wofür brennen Sie?
  • Gibt es Fotos, Bilder, Plastiken, Zeitungsschnipsel, die Sie mit Ihrer Sfoffidee in Verbindung bringen?
  • Fragen Sie sich außerdem: Ist Ihre Geschichte komisch? Tragisch? Angsteinflößend?
Schreiben Sie alles auf, wahllos, ohne Zensur. Machen Sie sich keine Gedanken über korrekte Formulierungen oder das Format in de Sie schreiben. Sie können alles in Stichworten skizzieren oder ausformulieren - so, wie es Ihnen in diesem Moment leichter fällt. Notieren Sie die Titel der Musikstücke, scannen Sie Bilder ein, heften Sie Farbfotokopien oder Ausdrucke an Ihre Notizen. Nehmen Sie sich Zeit, Ihre Figuren, Ihre Geschichte und die Welt, in der sie spielt, auf diese Weise einzufangen. Wenn Sie alles aufgeschrieben haben, legen Sie beiseite, Heften Sie es irgendwo ab, wo Sie es nicht täglich vor Augen haben, aber wo sie es gut wiederfinden. Zu einem späteren Zeitpunkt werden diese Notizen sehr nützlich sein.   






10/17/2015

Subjektives Drama VS. objektives Drama


Ein Kleinkind macht erste unbeholfene Gehversuche auf einer Klippe, von der aus 150 Meter steil in den Abgrund geht. Gefährliche Waffen wechseln ihren Besitzer. Zwei Karatemeister werden in einen Kampf auf Leben und Tod verwickelt. Eine verführerische Frau schwebt lächelnd an einer Gruppe junger Männer vorbei. All diese Situationen haben eines gemeinsam: Sie sind objektiv dramatisch.

   In fast allen guten Comics gibt es allerdings zahlreiche Momente, die subjektiv dramatisch sind. Sie fesseln uns nur deshalb, weil wir etwas über eine Figur wissen, sie kennen und mögen und uns dafür interessieren, was mit ihr geschieht. Denn mit Comic-Charakteren verhält es sich ähnlich wie mit "echten" Menschen aus Fleisch und Blut: Sobald sie aus der anonymen Masse heraustreten, ein Gesicht bekommen und wir etwas über ihre Wünsche, Ängste, Hoffnungen, Ziele und Motivationen erfahren und vertraut sind mit ihren Stärken und Schwächen, wird es uns schwerfallen, ihnen gegenüber gleichgültig zu bleiben. Einen Menschen kennenzulernen, verändert unsere Wahrnehmung von allem, was derjenige tut, grundlegend.

     Eine Frau dabei zu beobachten, wie sie zögerlich ihre Wohnung verlässt, bringt uns erst einmal nicht unbedingt dazu, uns vor lauter Anspannung in der Armlehne des Sessels festzukrallen. Doch wenn wir wissen, das sie durch ein Trauma unter Agoraphobie leidet und alleine die Vorstellung, ihre Wohnung zu verlassen, eine Panikattacke mit Atemnot, Muskelkrämpfen, Herzrassen, Schwindel und Schweißausbrüchen bei ihr auslöst, werden wir die Szene mit anderen Augen betrachten. Zu wissen, das sie sich dieser für sie sehr quälenden Erfahrung aussetzt, weil sie keine andere Möglichkeit sieht, einen Serienmörder zu stellen, wird uns den Atem stocken lassen.

   Genauso wenig wird ein Protagonist, der eine Rede halten muss, zunächst wenig Anteilnahme in uns hervorrufen. Zu erfahren, dass es sich dabei um den König von England handelt, der seinem Volk während des Kriegs in einer Radioansprache Mut zusprechen muss, obwohl er so stark stottert, dass er zeitweise kein Wort herausbringt, lässt uns mitfiebern, genauso wie uns ein Charakter, der tanzen lernt, emotional berührt, wenn wir zuvor Zeuge davon geworden sind, wie unerträglich körperliche Nähe für einen Autisten wie ihn ist.

   Eine Geschichte, dessen Geschehen sich ausschließlich auf objektiv dramatischen Szenarien aufbaut, wird die Ereignisse und Effekte sowie deren Auswirkungen ins Unermessliche steigern müssen, um das Interesse des Leser nicht zu verlieren. Wirkliche emotionale Anteilnahme (abgesehen von möglichen Adrenalin-Schüben) wird sich ohne subjektiv dramatische Situationen nicht einstellen.


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10/14/2015

Plot, Premise und dreidimensionale Charaktere - was zuerst?


Die Frage taucht immer wieder auf: die Geschichte entwickeln und dann an den Charakteren arbeiten? Oder umgekehrt? Oder womöglich zuerst ein Thema, eine Aussage, festlegen und dann alles andere in Anlehnung daran erarbeiten?

   Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Es kommt darauf an, welche Art von Geschichte Sie erzählen möchten. Ist es ein Action-lastiger Plot, bei dem ein Superheld seine Heimatstadt vor der völligen Zerstörung durch einen Irren retten muss? oder ist es die Geschichte eines pensionierten Exzentrikers, der sich nach dem Tod seiner Frau auf die Reise zu seiner entfremdeten Tochter macht und dabei sich selbst kennenlernt? Während Sie die erste Story zunächst entwickeln können, ohne Ihre Figuren gut zu kennen, müssen Sie die Charaktere der zweiten Geschichte sehr gut kennen, bevor Sie entscheiden können, wie sich der Plot entwickeln wird.

   Es kommt auch darauf an, was der Ursprung ihrer Geschichte ist, und welche teile in Ihrer Fantasie schon ausgeprägter vorhanden sind. Spukt eine Figur in ihrem Kopf, ein Mensch, der Sie fasziniert und dessen Geschichte Sie erzählen möchten, auch wenn Sie vielleicht noch nicht genau wissen, was Ihrem Protagonisten zustoßen wird? dann werden Sie vermutlich damit anfangen, sich Ihre Figuren zunächst genauer zu erarbeiten und versuchen herauszufinden, wer genau sie sind, was sie umtreibt und wie ihr Leben aussieht. Oder haben Sie eine Kette von Ereignissen vor Augen, ein "Was-wäre-wenn-Szenario", und überlegen sich erst dann, welche Personen Ihre Story vorantreiben werden und warum? Dann "spinnen" Sie wahrscheinlich zunächst den Plot weiter, bevor Sie sich eingehender mit den Figuren beschäftigen.
 
   Vorsicht ist geboten für alle, die mit einem Thema starten. Wer eine Geschichte und ihre Figuren lediglich dazu benutzt, eine politische oder moralische Aussage zu belegen, riskiert, einen blutleeren "Thesenstory" zu schreiben. Geschichten, die einem Konzept oder einer Ideologie untergeordnet sind, wirken konstruiert und schaffen es meist nicht, die Leser emotional in das Geschehen einzubinden. Wenn die "Message" dominiert, sind Handlung und Charaktere meist stark vereinfacht und deshalb wenig glaubwürdig. Leser möchten lieber unterhalten, statt belehrt zu werden. Gegen eine Aussage, die im Subtext subtil mit der Geschichte verwoben ist, oder die der Leser gar aus eigener Schlussfolgerung aus dem Geschehen selbst ableiten kann, ist dagegen nichts einzuwenden.


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Auf der suche nach einer Anleitung

Storyboardtheorien und Dramaturgiemodelle


Auf welcher Weise können dramaturgische Modelle helfen, eine gute Geschichte zu entwickeln und diese auch auf gelungene Weise zu erzählen? Um die Frage zu beantworten, ist es hilfreich, sich die Entstehungsgeschichte dieser Modelle vor Augen zu führen. Die meisten Storyboardchtheorien leiten sich von Paradigmen dramatischen Erzählens – also dramaturgischen Modellen für Theaterstücke – ab, als deren Übervater Aristoteles mit der von ihm verfassten „ Poetik“ gilt. Was haben erfolgreiche Geschichten gemeinsam? Gibt es etwas, was diese Geschichten verbindet? Gibt es etwas, das sie, so unterschiedlich sie auch sein mögen, teilen? Und so wie wir Menschen unterschiedlich in Wesen und Aussehen sind, jedoch alle ein Skelett haben, dessen einzelne Knochen, Sehnen und Knorpel an den gleichen Stellen sitzen, so gibt es bei dramatisch erzählten Geschichten sehr viele Ähnlichkeiten, was ihren Aufbau angeht. Dieses „Skelett“ bildet die Grundlage aller dramaturgischen Modelle. Es ist die Struktur einer Geschichte.
     
   Aber so, wie ein Skelett lediglich den menschlichen Körper stützt und nicht der Mensch selbst ist, so ist auch die Struktur einer Geschichte nicht die Geschichte selbst, sondern lediglich ein Ordnungsprinzip, das die Ereignisse der Geschichte in einen kausalen und zeitlichen Zusammenhang stellt.
    
   Versucht man, Figuren innerhalb eines dramaturgischen Modells agieren zu lassen, so folgt man damit scheinbar einem zuverlässigen „roten Faden“, der helfen soll, sich im Dschungel der noch unfertigen Geschichte zurechtzufinden. Nur um sehr schnell festzustellen, dass sich auf diese Weise zweidimensionale Figuren in einer formelhaften Geschichte bewegen und Entscheidungen treffen, die nicht ihrer eigenen Logik folgen, sondern vielmehr der des Autors, der versucht, eine funktionierende Geschichte zusammenzuschustern.
     
   Dramaturgische Modelle eignen sich sehr gut dazu herauszufinden, wo es in einer Geschichte hakt und warum – damit man sie anschließend überarbeiten kann. Als Anleitung zum Schreiben taugen sie nicht. Deshalb ist es am besten, sie während des Schreibprozesses zu vergessen. Wenn es dann darum geht, das Geschriebene zu verbessern, leisten sie gute Dienste.


Was sonst?

Wenn dramaturgische Modelle sich nicht als Rezept eignen, welche Möglichkeiten gibt es dann, Ideen und Figuren zu finden und sich einer Geschichte anzunähern?



Augen & Ohren auf

„Schau genau hin. Das ist der Weg, dein Auge zu schulen.
Schau hin, sei neugierig, höre zu, belausche.
Stirb nicht unwissend. Du bist nicht lange hier.“
Walker Evans

Vieles was um uns herum geschieht, ist für uns unverständlich, widersprüchlich oder schlicht „zu viel“. Um unseren Alltag besser zu bewältigen, lernen wir von klein auf, unsere Wahrnehmungen zu filtern. Wir sehen und hören Dinge, mit denen wir rechnen oder auf die wir uns vorbereitet haben. Ereignisse, die unsere Weltanschauung durcheinanderbringen oder ein Umdenken erfordern, oder die wir an einem bestimmten Ort oder zu einer bestimmten Zeit nicht erwarten, blenden wir in der Regel aus.
   
   Um als Autor auf einen unerschöpflichen kreativen Fundus zurückgreifen zu können, müssen wir uns dieses, im Alltagsleben nützliche, aber bei unserer Arbeit als Autoren hinderliche Sozialverhalten abgewöhnen. Wir müssen erneut lernen, genau hinzuschauen und zuzuhören um das, was um uns herum geschieht, unvoreingenommen in uns aufzunehmen und damit die Bandbreite menschlichen Denkens, Handelns und Fühlens uneingeschränkt zu erfassen.

   
   Denn egal, wie exotisch die Orte unserer Geschichten und wie ungewöhnlich die Ereignisse, die unseren Charakteren zustoßen, auch sein mögen, letztlich basieren sie doch auf dem, was uns als möglich und realistisch erscheint – dem Spektrum menschlicher Erfahrungen, dem Leben selbst. Um als Autor aus einem Fundus menschlichen Verhaltens schöpfen zu können, ist es nützlich, die verlorengegangene Neugierde wiederzuentdecken.





Mit allen fünf Sinnen

Orte vermitteln, ähnlich wie Musik, auf sehr starke und unmittelbare Weise Stimmungen. Wenn wir versuchen, einen Ort zu beschreiben, beschränken wir uns aber meist auf faktische und visuelle Informationen: Wie groß sind die Räumlichkeiten? Wann wurde das Gebäude erbaut? Wie wird es genutzt und auf welche Weise hat sich die Nutzung im Laufe der Zeit verändert (z.B. ein Hotel in einem ehemaligen Kloster).
   
   Wenn wir stattdessen einen uns unbekannten Ort aufsuchen, stellen wir sehr schnell fest, dass das, was für uns diesen Ort ausmacht, sich an vielen einzelnen Dingen festmacht, die wir dort wahrnehmen und die weit über visuelle oder faktische Angaben hinausgehen. Um dem Leser des Storyboards einen möglichst plastischen Eindruck des Ortes zu vermitteln, der die Atmosphäre, die dort herrscht, treffend wiedergibt, ist es hilfreich, alle Sinne miteinzubeziehen, statt sich auf Fakten und rein visuelle Informationen zu beschränken.




Fühlen


Wenn wir eine Geschichte erzählen, stellen wir uns bestimmte Ereignisse vor und leiten daraus die möglichen Konsequenzen, bezogen auf die Figuren und die äußere Handlung, ab . Mindestens genauso wichtig wie die äußeren Ereignisse sind innere Vorgänge und emotionale Konsequenzen. Wie fühlt es sich an, wenn einem etwas Konkretes widerfährt oder man sich in bestimmten Lebensumständen wiederfindet? Im Alltag blenden wir diese Überlegungen und Emotionen aus; sie gelten als subjektiv und damit als unzuverlässig und wenig allgemeingültig. Für das Schreiben sind sie unersetzlich. Sie geben uns wesentliche Hinweise für die Geschichte und sind häufig ein Schlüssel für unsere Figuren.




Erinnern

„Schreibe über das, was du kennst.“
Mark Twain

Autoren, die sich in ihrer Arbeit auf eigene Erfahrungen stützen, haben einen großen Vorteil: Sie wissen, wovon sie sprechen. Ein erheblicher Teil ihrer Recherche begründet sich in der aktiven und wahrhaftigen Erinnerung dessen, was sie selbst erlebt haben. Sie kennen die widersprüchliche oder scheinbar unlogische Gefühlswelt ihrer Figuren.
   
    Denn Emotionen zeichnen sich dadurch aus, das sie manchmal (scheinbar) im Widerspruch zu einer äußeren, objektiven Realität stehen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn wir angesichts eines langersehnten Ereignisses aus scheinbar unerklärlichen Gründen Angst, Unbehagen oder Traurigkeit empfinden, statt uns, wie erwartet, zu freuen.

   
    Ein weiteres Merkmal von Gefühlen ist, dass wir sie nicht kontrollieren können. Kein Mensch kann sich vornehmen, was er unter bestimmten Bedingungen empfinden wird. Und häufig ist das, was wir tatsächlich in einer bestimmten Situation empfinden, völlig verschieden von dem, was wir uns für diesen Fall vorgestellt haben.

  

    Aber wie können sich Autoren in ihrer Arbeit auf eigene Erfahrungen stützen, ohne sich bei ihren Geschichten auf autobiografische Ereignisse zu beschränken? Eine Möglichkeit besteht darin, einen „Zipfel zu erhaschen“, indem man eigene Erfahrungen, die auf emotionaler Ebene vergleichbar sind, so unverfälscht wie möglich erinnert und sie dann auf die Geschichte und ihre Figuren überträgt.
   
   Besonders anschaulich lässt sich diese Methode erklären, wenn wir sie auf Geschichten anwenden, deren Umstände oder Erfahrungen die der meisten Menschen sprengen. Erfahrungen, die wir nie gemacht haben und voraussichtlich auch nie machen werden, können wir nicht autobiografisch erzählen und müssen gezwungenermaßen auf eine Technik zurückgreifen, die es uns ermöglicht, uns dem Geschehen und den damit verbundenen Emotionen anzunähern. Die wenigsten unter uns haben zum Beispiel die Erfahrung gemacht, wie es ist, an Leib und Leben bedroht zu sein. Das genau aber ist die Grunderfahrung einer Hauptfigur in einem Thriller. Woher kann man als Autor wissen, was die Figur in den einzelnen Momenten empfindet und wie sie entscheidet, wenn sie um ihr Leben fürchten muss? Wie kann man die Figur und ihre Geschichte schreiben, wenn man selbst diese Erfahrung noch nie gemacht hat? Eine gute Möglichkeit besteht darin, sich an eine Situation zu erinnern, die im Nachhinein betrachtet möglicherweise völlig harmlos war. Aber die sich, während sie uns widerfahren ist – und wenn auch nur für einen Moment – so angefühlt hat, als wären wir an Leib und Leben bedroht gewesen.
   
   Sobald wir uns aktiv daran erinnern und uns unsere Gedanken, Gefühle und unmittelbaren Impulse in diesem Augenblick vergegenwärtigen, erhalten wir einen Zugang zu unserem Protagonisten und zu der Geschichte, die wir erzählen möchten. Wesentlich ist dabei, dass wir diese Erinnerung nicht nur intellektuell, das heißt ausschließlich „mit dem Kopf“ vollziehen. Nur wenn wir ein Ereignis oder eine Situation mit allen unseren Sinnen erinnern und wahrnehmen, können wir die widersprüchlichen oder unerwarteten Gefühle entdecken, die diese in uns auslösen.
   
   Es geht darum, sie in unserer Erinnerung zu durchleben, um uns durch unsere eigenen Emotionen, Gedanken und Impulse denen unserer Figur anzunähern. Wir stellen auf der Ebene einer subjektiven, emotionalen Realität eine Übereinstimmung zwischen unserer erlebten Situation und der unseres fiktiven Protagonisten her. Diese Technik erleichtert es ungemein, wahrhaftige Charaktere zu erschaffen, deren Reaktionen und Handlungen für die Leser glaubwürdig und nachvollziehbar sind.

Recherche

Während das aktive Erinnern subjektiv ähnlicher Situationen, samt der damit verbundenen Emotionen, eine Form der inneren Recherche darstellt, garantiert eine äußere Recherche, dass Sie als Autor – auch was die objektiven Fakten angeht – wissen, wovon Sie sprechen.

   Möglichst alles über die Figuren, ihre Welt, die Ausgangssituation, bzw. den Grundkonflikt zu wissen, schafft darüber hinaus Selbstvertrauen und gibt die Sicherheit, dass man den Figuren und ihrer Geschichte gerecht wird. Vorsicht ist geboten, wo die Suche nach Informationen nicht enden will. Wenn Sie auch nach gründlicher Recherche nicht damit aufhören können, Bücher zu wälzen, Filme zu schauen und das Internet nach Erfahrungsberichten durchforsteten, sind Sie womöglich Ihrem inneren Zensor auf dem Leim gegangen, der Sie auf diese Weise erfolgreich davon abhält, Ihre Ideen niederzuschreiben. Bei nicht enden-wollen-den Recherchen ist auch deshalb Vorsicht angesagt, da man riskiert, sich in so kleinteiligen Details zu verlieren, dass einem die Geschichte, die man ursprünglich einmal erzählen wollten, schlicht abhanden kommt.


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10/11/2015

Von der Idee zur Geschichte (Einleitung)


Wie kriege ich das, was ich im Kopf habe, aufs Papier?

Bilder, Stimmungen, Figuren, Dialoge. Oft hat man das Gefühl, bereits die ganze Geschichte im Kopf zu haben. Wie aber bringt man aber die vielen Einzelteile, die sich in der Fantasie zu einem fertigen Comic gefügt haben, in Storyboardform zu Papier?
Eine illustrierte Erzählung beschränkt sich darauf, was wir sehen und lesen können. Wir können zeigen, wie Menschen in verschiedenen Situationen handeln, welche Entscheidungen sie treffen und mit wem sie sprechen. Das bedeutet das wir unsere Ideen, Assoziationen, Gefühle, die für uns auf einer emotionalen oder philosophischen Ebene schlüssig sind, in konkrete Ereignisse, Handlungen und Dialoge verwandeln müssen. Übergänge die das Geschehen überhaupt erst glaubwürdig machen, fehlen in diesem Stadium oft noch. Ein Beispiel, soll illustrieren, was gemeint ist:

„Ein Kind von der Straße das, das Leiden und elend der Gesellschaft an eigenen Leib erfahren hat. Bekommt die Möglichkeit aus dem elend Kreislauf zu entrinnen. Dabei beweist sich das Kind und wächst als ehrliche Person auf. Die im gelernten Handwerker ansehen, so wie ein stabiles leben erlangt hat. Einesstages bekommt die Person die Möglichkeit was großes zu vollbringen.“

Sie haben dabei schon mehrere Schlüsselszenen im Kopf, zum Beispiel die, als das Kind die Möglichkeit bekommt aus dem elend zu entkommen oder wie sich die Möglichkeit für die Person ergibt was großes zu erreichen. Sie kennen die Welt, in der die Geschichte spielt, haben den Jargon der Straße in den Ohren, dazu eventuell ähnliche, eigene Erfahrungen und Begebenheiten, die sie oder Freunde oder Familienmitglieder erlebt haben und die Ihnen helfen, in die Geschichte einzutauchen und sie glaubwürdig zu erzählen. Vielleicht können sie auch die unendliche Einsamkeit nachvollziehen, wenn man plötzlich erkennt, dass man plötzlich allein auf sich gestellt ist und man nirgendwo mehr dazugehört.
Um all dies jedoch in illustrierter Form erzählen zu können, bedarf es noch einer Menge Arbeit. Denn was sie benötigen, sind konkrete Situationen, Ereignisse, Handlungen und Dialoge. Während die Ausgangssituation recht konkret ist, ist alles andere noch sehr vage, oder gar nicht vorhanden.

  • Welches Ereignis (oder welche Abfolge von Ereignissen) lässt das Kind zu dem kommen, dass was sich ändern muss?
  • Versucht es, die starke Verunsicherung und den fehlenden Halt zu kompensieren?
  • Wird das Kind von jemanden aufgenommen oder Schaft es durch ehrliche Arbeit weg von der Straße?
  • Wenn jemand es aufnimmt aus welchen gründen? Was hat die Person für Absichten?
  • Findet das Kind neue Freunde oder sogar eine Familie auf seinen weg ?
  • Wenn es erwachsen ist hat es eine Beziehung mit jemanden ? Oder gibt es sich nur der Arbeit hin?
  • Oder ist es das gegenteilige der Fall: gibt es für jemanden seinen Job und die große einmalige schanze auf?
  • Wie vollzieht sich seine Entwicklung vom Kind der Straße zu eine bedeutsame Person?
  • Woran können wir die plötzliche Gesinnungswandel festmachen?
  • Was für eine Berufliche bahn schlägt das Kind ein als Erwachsener? Wird es von jemanden darauf hingeleitet?
  • Wie aber wollen sie eine Entwicklung zeigen?
  • Was muss geschehen damit die Verwandlung von der Straßenratte zur ehrlichen Person glaubwürdig ist?
  • Außerdem ist der Ausgang der Geschichte bislang noch offen: Was ist die einmalige Möglichkeit? Erreicht die Person es?
Um Ihre Geschichte erzählen zu können, müssen Sie wissen, was Ihre Hauptfigur als Nächstes tun wird und warum. Sie müssen sich im Klaren über die Konsequenzen sein – was passiert, wenn sie anders oder gar nicht handelt? Und warum? Wie wirken sich ihre Entscheidungen auf ihr Umfeld aus? Sie müssen nicht nur in und auswendig kennen und wissen, wie sie sich in jeder erdenklichen Situation verhalten würden. Sie müssen auch herausfinden, was genau sie eigentlich erzählen wollen.
Das mag im Augenblick merkwürdig klingen. Aber sobald sie in Ihre Geschichte eintauchen und sehen, wie sie sich im Laufe Ihrer Arbeit an Charakteren und Handlungen verändern, werden Sie sehen, dass eine der größten Schwierigkeiten beim Storyboardschreiben darin besteht, zu wissen, was man erzählen möchte. Während Sie dabei sind, sämtliche Handlungsschritte und Charaktere zu erarbeiten, werden Sie die Ereignisse und Entscheidungen aus den verschiedenen Perspektiven all Ihrer Figuren beleuchten. Dabei werden Sie feststellen, dass in Ihrer Geschichte in Wirklichkeit unzählige verschiedene Geschichten stecken, je nachdem, aus welchem Blickwinkel Sie diese erzählen. Aber erst wenn Sie wissen, was sie erzählen möchten, können Sie entscheiden, wie Sie es am besten erzählen können.


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